Videoinstallation (10:02 min) (2021)

Eine Frau sitzt auf einem ergonomischen Stuhl, gekleidet in hellgelber Arbeitskleidung und schaut aus dem Fenster. Sie schließt routiniert eine Milchpumpe an ihre freiliegende Brust an. Der Ort erinnert an eine Produktionshalle. Durch das Fenster scheint die Sonne. Das Geräusch der Pumpe erfüllt den Raum. Alles beginnt mit einem Tropfen. Jeder Tropfen zählt. Eine Milchproduzent*in bei der Arbeit.

Was wäre, wenn wir daran erinnert würden, wie vulnerabel unser Zustand zu Beginn unseres Lebens einmal war?

Lactoland performt mittels einer Videodarbietung die Umwertung weiblicher Milch, und führt sie in den ökonomischen Kreislauf ein. Die historische Entwicklung der Frauenmilch von einer ökonomischen Substanz hin zu dem, was wir gemeinhin als „Muttermilch“ bezeichnen, wird durch die Arbeit umgekehrt. Den Zuschauenden ist es möglich, Verfahrensweisen und Herstellung des Produktes von Lactoland ganz nah und interpassiv mitzuerleben. Lactoland demonstriert eindrücklich die Anstrengungen, die zur Herstellung des Produktes nötig sind. Zum Produktionsprozess gehören der Prozess des Milchpumpens, die räumliche Isolation, der Sound des Verfahrens und schließlich die Herstellung eines Bonbons aus der gewonnenen Milch. Lactoland arbeitet an einer konkreten Sicht- und Hörbarkeit von feminisierter Reproduktionsarbeit, die im Alltag oft in dafür vorgesehenen Räumlichkeiten wie Eltern-Kind-Räumen, Sanitäranlagen oder zu Hause verborgen wird. Die Technologie der Milchpumpe verspricht die Einsparung von Zeit, jedoch wird die Mutter zur eigenen Amme des Kindes und hat am Ende die doppelte Arbeit, wodurch Lohnarbeit, Care-Arbeit und Freizeit zunehmend zu einem werden. Ein Lebensgefühl, das die Realität vieler Mütter widerspiegelt. Um die meist temporäre Angelegenheit der Brusternährung in eine Sichtbarkeit zu bringen, demonstriert Lactoland diesen Zustand nachhaltig, um so nach einer imaginativen Auflösung des Dilemmas (Weiblichkeit – Unabhängigkeit) zu forschen. Die alltäglichen Handlungen der Fürsorge durch die Brusternährung liegen im Fokus der künstlerischen Arbeit Lactoland. Ziel ist es, einen Perspektivwechsel zu ermöglichen, der die Unsichtbarkeit von Care-Arbeit revidiert, und so neue Beziehungsmuster zu knüpfen und der Marginalisierung und Isolation von Care-Arbeit entgegen zu wirken. Der Milchtropfen mit seiner digital-abjekten Dynamik erscheint dabei vor unseren Augen und erreicht eine Öffentlichkeit. Wann sonst kommen wir schon einmal mit menschlicher Milch in Berührung, wenn nicht als Eltern, Kinder oder Care-Arbeiter*innen

Text: Clara Alisch