Skulptur / Installation (2019)
Gips, Carrara Marmor, Holz, Stoff, Solnhofer Platten
200 × 100 × 140 cm
Die Installation zeigt eine Frauenfigur, die energisch einen Teig knetet. Ein kleiner Junge lehnt lässig daneben; das Gesicht wie Dürers „Melencolia“auf einen Arm auf den Tisch gestützt. In der anderen Hand hält er eine Nudelrolle.
Der Betrachter wird irritiert – denn die üblichen Wahrnehmungsregeln werden verletzt: Die handwerklich virtuos modellierten Figuren wirken in echter Kleidung zunächst wie lebendige Menschen. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch, dass es Skulpturen sind.
Der cineastische Ausschnitt evoziert unmittelbar Erinnerungen an die eigene Jugend und wirft einen in die Sehnsüchte der Vergangenheit zurück. Zurück in den Moment, wo das Schlimmste, was passieren konnte, die Unterbrechung des Spiels mit Freunden war, weil man einen Teig mit der Mutter backen musste.
Die Mutterfigur durchbricht diese nostalgische Träumerei. Trotz ihrer entschlossenen Pose wirkt sie auch unsicher. Sie kämpft mit dem Teig, gegen den Teig – und mit der Rolle als Mutter? Was treibt sie an? Gegen was stemmt sie sich? Schrecklich isoliert erscheint sie und umso verletzlicher wirkt sie neben dem Kind, das von all dem nichts ahnt.
Diese Installation wurde am 13.7.2021 im Zuge der Einzelausstellung „Der sechste Sommer“ in der Galerie Peter Lethert in Bad Münstereifel aufgebaut – einen Tag später stand sie bereits unter Wasser. Die Galerie wurde im Erdgeschoss durch die Flutkatastrophe komplett zerstört. Unter Einsatz seines Lebens rettete Peter Lethert bei steigendem Wasserpegel noch Teile der Arbeit ins Obergeschoss: Die Skulptur des Jungenblieb unversehrt.
Wasser und Schlamm hinterließen ihre Spuren, der sinkende Wasserpegel lässt sich noch heute an der Installation ablesen – und damit auch die Hoffnung, auf ein Ende der Zerstörung. Die Bäckerin knetet entschlossen weiter und kämpft – nicht mehr nur ihren eigenen Kampf, sondern auch den gegen die großen Herausforderungen unserer Zeit.
Text: Joscha Bender