Herkunft und Werdegang
Joannes Baptista Sproll wurde am 2. Oktober 1870 in Schweinhausen bei Biberach geboren und wuchs in einfachen, bäuerlichen Verhältnissen auf. Sein Heimatpfarrer entdeckte seine Begabung und ermöglichte ihm den Besuch der Lateinschule. Nach dem Theologiestudium in Tübingen und der Priesterweihe wurde Sproll Dozent am Tübinger Wilhelmsstift, anschließend Subregens im Priesterseminar Rottenburg.
1909 ging Sproll als Pfarrer nach Kirchen, bevor ihn Bischof Paul Wilhelm Keppler drei Jahre später ins Domkapitel berief. Im Folgejahr wurde Sproll Generalvikar, 1916 Weihbischof. Ab 1912 saß er als Vertreter des Domkapitels im Stuttgarter Landtag, 1919 wurde er als Vertreter der Zentrumspartei in die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt. Nach dem Tod von Bischof Keppler wählte das Domkapitel Sproll 1927 zu dessen Nachfolger. Es waren schwierige Zeiten: Die Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920er Jahre führte zu einem Erstarken extremistischer Parteien, der Kommunisten und der Nationalsozialisten. Mit seiner Volksnähe und seinem offenen Charakter setzte Sproll angesichts dieser Tendenzen ganz auf die Bewahrung des tradierten Glaubens.
Gegner des Nationalsozialismus
Bereits 1931 verurteilte Bischof Sproll in einer Erklärung der südwestdeutschen Bischöfe den Nationalsozialismus als „mit der katholischen Lehre unvereinbar“. Nachdem Hitler 1933 auf legalem Weg Reichskanzler geworden war, erkannten die deutschen Bischöfe ihn als rechtmäßige Obrigkeit an.
Ab Sommer 1934 exponierte sich Sproll als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Er wandte sich öffentlich in Predigten gegen zentrale Inhalte der NS-Ideologie, gegen die Vergötzung von Rasse und Blut und deutsch-völkische Tendenzen. Die Auseinandersetzungen spitzten sich ab April 1938 dramatisch zu. Bischof Sproll setzte ein öffentliches Zeichen der Verweigerung, indem er sich nicht an der Wahl über den bereits vollzogenen Anschluss Österreichs an das Reich beteiligte, um nicht gleichzeitig Nationalsozialsten in den Reichstag wählen zu müssen. Die Nationalsozialisten reagierten mit einer Welle von inszenierten, angeblich aus spontanem Volkszorn entstandenen Demonstrationen und Ausschreitungen.
Verbannung und Exil
Die Versuche der Nationalsozialisten, Sproll zu einem „freiwilligen“ Amtsverzicht zu bewegen, scheiterten: Er ließ sich von den Ausschreitungen nicht einschüchtern. Zudem solidarisierten sich Teile der katholischen Bevölkerung mit dem Verfolgten, der als mutiger „Bekennerbischof“ wahrgenommen wurde. Schließlich wurde der Bischof aus seiner Diözese verbannt. Im September 1938 fand Sproll in der Benediktinerabtei St. Ottilien in der Diözese Augsburg Zuflucht. Aufgrund der Verschlechterung seines Gesundheitszustands wechselte er Anfang 1941 ins Heilbad Krumbad. Auch im Exil nahm Sproll – soweit möglich – sein Amt als Rottenburger Diözesanbischof wahr.
Er verfasste Hirtenbriefe und blieb in Kontakt mit dem Domkapitel. 1943 vollzog er von Krumbad aus die auf große Resonanz stoßende Weihe der Diözese an Maria.
Heimkehr und Tod
Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des NS-Regimes wurde der Weg frei für die Heimkehr des Bischofs. An der Rückkehrfeier am 14. Juni 1945 und an seinem 50. Priesterjubiläum nahmen Tausende Gläubige teil. Trotz seiner Krankheit besuchte Sproll in den folgenden Jahren viele Pfarreien in der ganzen Diözese. Das Bild des von Krankheit und Exil gezeichneten Bischofs, der wegen seiner Lähmung auf einem Stuhl durch die Menge getragen werden musste, prägte sich ins kollektive Gedächtnis ein.
Sproll betonte die Bereitschaft zur Versöhnung. Sein Wirken galt den in die Zukunft weisenden Aufgaben, dem Wiederaufbau nach den Zerstörungen, der christlichkaritativen Bewältigung der wirtschaftlichen und seelischen Not und der Integration der Heimatvertriebenen. Er starb am 4. März 1949.
Nachwirkung und Rezeption
Joannes Baptista Sproll hat sich als entschiedener, mutig die öffentliche Konfrontation suchender Gegner des Nationalsozialismus profiliert und exponiert. Gegen keinen anderen deutschen Bischof gingen die Nationalsozialisten derart massiv vor. Während andere dem Widerstand zuzurechnende Bischöfe wie der Münsteraner Bischof von Galen oder der Berliner Bischof von Preysing 1946 zu Kardinälen erhoben wurden, blieb Sproll diese Ehre verwehrt. Zwar wurde der Rottenburger Bischof nach seiner Rückkehr und in Nachrufen nach seinem Tod als „Bekennerbischof“ geehrt. Außerhalb der Diözese fanden seine mutige Haltung und sein Schicksal jedoch lange Zeit nur wenig Beachtung.
Die jüngere Forschung rückt Sproll wieder stärker in den Kontext des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. 2011 leitete die Diözese Rottenburg ein Seligsprechungsverfahren für ihn ein.
Der Gedenkort
Der Gedenkort ist Teil des heutigen Bischöflichen Ordinariats Rottenburg. Historisch handelt es sich um den Eingang in das Bischöfliche Palais, den Wohnund Arbeitsort der Rottenburger Bischöfe. Im Frühjahr und Sommer 1938, nach der Wahlenthaltung Sprolls, belagerten nationalsozialistische Gruppierungen das Palais, warfen Steine durch die Fenster und schmierten Hetzparolen auf den Bürgersteig. Über Wochen gab es lautstarke Kundgebungen vor dem Palais, die die Vertreibung, Abberufung oder den Rücktritt des Bischofs forderten.
Am 23. Juli 1938 brachen Nationalsozialisten die Pforte auf und verwüsteten die Wohnung Sprolls. Das historische Portal und der Eingangsraum verweisen damit selbst auf die – auch unmittelbar physische – Verfolgung Sprolls.
Mediale Ausstellungspräsentation
Die Besucher erwartet eine moderne Erschließung der Lebensstationen Sprolls, aber auch des politischen Kontexts, in dem er sich bewegte. Eine mediale Präsentation sowie Objekte und Zitate veranschaulichen eindrücklich das Leben des Bischofs und sein Engagement gegen den Nationalsozialismus. Die präsentierten Treuebekenntnisse von Katholikinnen und Katholiken aus der Diözese bringen die Solidarität der Gläubigen zum Ausdruck und verdeutlichen, wie sehr die Geschichte Bischof Sprolls die Geschichte einer ganzen Diözese ist.
Die Ausstellung ist auch für Kinder, Jugendliche und Schulklassen anschaulich gestaltet. Der Gedenkort ist eine Zweigstelle des Diözesanmuseums Rottenburg.