Adoratio - ein Ausstellungsrückblick

Schlussansprache zur Finissage von Dr. Melanie Prange

Liebe Besucherinnen und Besucher des Diözesanmuseums,

der schwarze König an der Krippe war das Thema unserer diesjährigen Weihnachtsausstellung. Ein Thema, das aus heutiger Perspektive Fragen aufwirft, und das wir auf möglichst vielfältige Weise betrachtet haben.

Ausgangspunkte hierfür waren die Gemälde unserer Sammlung: drei mittelalterliche Darstellungen und drei barocke Bildwerke.

Sie erhielten in unserer  Dauerausstellung eine neue Akzentuierung durch die Einbringung in farbige Nischen. Vor dem frischen Grün fingen die Bilder neu zu leuchten an, was noch einmal verdeutlicht, dass diese Kunst für ein farbiges Umfeld gedacht war.

Ergänzt wurden unsere historischen Darstellungen durch ein prominentes modernes Werk: Das Dreikönigsbild von Otto Dix aus dem Museum am Dom in Würzburg. Das Konzept, unsere alten Kunstwerke mit modernen Interpretationen ins Gespräch zu bringen, werden wir zukünftig unter dem Begriff der „Intervention“ weiter verfolgen. Denn es zeigt, wie sich die künstlerische Sicht auf Dinge im Laufe der Jahrhunderte verändert hat, aber auch was über die Zeit tradiert wurde und was bis heute zu unseren Sehgewohnheiten gehört. So fällt auf, dass Otto Dix, der Vertreter der neuen Sachlichkeit, in seiner Spätphase wieder zu traditionellen christlichen Themen zurückfand und diese in einer expressionistisch-visionären Bildsprache umsetzte.

Wie stellen die Bildwerke nun den schwarzen König dar?

Eine wesentliche Erkenntnis unserer Ausstellung ist, dass wir jede bildliche Interpretation im Detail betrachten müssen. Denn selbst, wenn Kunstwerke aus der gleichen Epoche und derselben Region stammen, lassen sich trotz fester ikonographischer Formeln doch feine Unterschiede finden, die eigene Akzente setzen und auch vom schwarzen König jeweils ein individuelles Bild zeichnen.

In der ersten Anbetung, entstanden im Schwaben des
15. Jahrhunderts, wird die Szene vor einem prächtigen Goldgrund dargestellt. Wir üblich hat sich der älteste und weiseste König niedergekniet, während die jüngeren stehen. In dieser Darstellung fällt auf, dass beide jungen Könige exotische Motive aufweisen. Der Mittlere trägt unter seiner Krone eine phrygische Mütze, also eine Kopfbedeckung, die in der Antike von dem indogermanischen Volk der Phryger getragen wurde und die in den frühesten Darstellungen der drei Könige als deren Herkunftsnachweis zu finden ist. Der bartlose König ganz rechts trägt einen Turban mit langem Tuch sowie einen aufwändigen Dolch. Seine Hautfarbe ist nicht schwarz, sondern braun, weswegen der König als Orientale gedeutet werden kann. Diese bildliche Umsetzung verdeutlicht, dass die drei Könige nicht immer pauschal als Repräsentanten der im Mittelalter bekannten Kontinente – Europa, Asien und Afrika – gedeutet werden können. Vielmehr scheint es hier darum gegangen zu sein, zum einen der Andersartigkeit der Könige, zum anderen ihrer Herkunft aus dem Osten bildlich Ausdruck zu verleihen.

Eine beeindruckende, von der Kunst Martin Schongauers beeinflusste Anbetungsszene stellt im Hintergrund eine mittelalterliche Stadt dar, die das Geschehen in die Gegenwart der Betrachter holte, wie auch die Gewänder der beiden jüngeren Könige. Sie zeigen im Gegensatz zur zeitlosen Figurengruppe links mit Maria, Jesus und dem alten König, eindeutig Details burgundischer Hofmode. Die Lebensalter sind hier sehr deutlich voneinander abgesetzt. Der jüngste König besitzt hier eine schwarze Hautfarbe. An seiner Seite hängt ein großes Krummschert, das jedoch in Anbetracht der kindlichen Gesichtszüge kaum als bedrohliche Waffe wahrzunehmen ist.

Wieder anders erscheint der schwarze König im Bild des Meisters des Riedener Altars. Uns begegnet ein junger Mann von imposanter Statur und mit schönem, maskulinem Gesicht. Er trägt eine Rüstung und legt seine Hand  selbstbewusst auf den Knauf seines Schwertes – als wolle er sich in Anbetracht des neuen Königs seiner Stärke und Macht rückversichern. Mit Körperpose, Waffenausstattung und Rüstung repräsentiert dieser König am deutlichsten den spätmittelalterlichen Adel. Er schlug als erkennbarer Zeitgenosse eine Brücke zwischen den Betrachtern und dem heilgeschichtlichen Bildinhalt und diente dem Künstler zugleich als Möglichkeit, Luxus, Sinnlichkeit und Fernweh auf eindrucksvolle Weise zu schildern.

In einer ruinösen antiken Architektur zeigt ein barockes Flügelaltärchen aus den Niederlanden die adoratio. Anders als noch im Mittelalter ist die Bildkomposition nicht mehr linear. Die Könige stehen nicht in einer Reihe, sondern sind um die Heilige Familie herum gruppiert. Ihr Altersunterschied ist längst nicht mehr so deutlich herausgearbeitet wie in den älteren Werken und alle drei tragen Waffen. Aber auch hier gibt es noch einen König mit dunkler Hautfarbe. Er ist dem Betrachter zugewandt und führt ein großes Gefolge an, dem er den Weg zum Heiland weist. Kompositorisch zeigen alle Zepter der Könige auf das Jesuskind, den neuen Herrscher der Welt.

Auch das zweite Gemälde des 17. Jahrhunderts stellt den schwarzen König als Anführer eines Gefolges dar. Im Gegensatz zu den anderen Anbetungen der Ausstellung hat dieses Bild trotz seiner frohen Botschaft jedoch auch etwas Beklemmendes und in Teilen Bedrohliches. So ist in der linken, unteren Bildecke ein bellender Hund dargestellt, das Königsgefolge ballt sich zu einer undurchdringbaren Menschengruppe zusammen, die das Kind durchaus kritisch beäugt. Eventuell wollte der Künstler schon weitere Szenen aus dem Leben Jesu thematisieren; zumindest erinnert die Darstellung in mancherlei Hinsicht an die Gefangennahme Jesu. Für unsere Fragestellung interessant ist, dass sich genau über dem schwarzen König drei Lanzen erheben und es seine Person ist, in der die militärischen Anspielungen im Bild ihren Höhepunkt finden.

Kann man also sagen, dass die Darstellungen des schwarzen Königs im Zuge des Kolonialismus  seit dem 17. Jahrhundert tendenziell negativer  wurde? Zweifellos gibt es diese Tendenzen, aber pauschalisieren lässt sich auch hier nichts. Denn die Interpretation von Johannes Zick aus dem Jahr 1748 verleiht dem schwarzen König wieder eine positive und wichtige Rolle im Bild. Er dient dem Betrachter als Mittlerfigur und führt ihn auf das Geschehen im Stall hin, das hier durch Wolkenbänke und Putten die Anmutung einer himmlischen Vision erhält. Durch Lichtführung, Blicke und Berührungen sind alle Personen innig miteinander verbunden und es ist der schwarze König, der auch uns an diesem Geschehen teilhaben lässt.

Nicht nur der Farbkanon seinen Bildes lässt vermuten, dass Otto Dix derartige Bilder wie jene von Johann Zick vor Augen standen, als er seine Anbetungsszene malte. Auch sie vermittelt uns den Einblick in das innige Miteinander der Personen und in eine eigene, überirdische  Sphäre. Und auch Dix verweist schon auf das, was auf die Geburt des Messias folgte, denn die Geschenke der Könige tragen bereits das Kreuz als Bekrönung.

Dieser kurze Gang durch die Ausstellung zeigt, wie wichtig es ist, die Kunstwerke vor dem Hintergrund ihrer Zeit zu deuten und immer differenziert zu betrachten.

Ihnen allen noch einmal herzlichen Dank für Ihren Besuch und Ihr Interesse an unserer Ausstellung „adoratio. Der schwarze König an der Krippe“.

 

Ihre Melanie Prange

Rückblick auf das Begleitprogramm von Dr. Daniela Blum

Das Begleitprogramm zu unserer Weihnachtsintervention war vielfältig. Wir hatten neben der Kinderführung und dem Frauengespräch drei Veranstaltungen, die verschiedene Perspektiven auf das Thema des schwarzen Königs an der Krippe geworfen haben. Der Historiker Dr. Christoph Mauntel hat am Dreikönigstag über die Heiligen Drei Könige im Mittelalter referiert, der Philosoph und Theologe Dr. Sebastian Pittl hat postkoloniale Perspektiven auf das Thema entwickelt und schließlich gab es am vergangenen Sonntag ein Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten des Kindermissionswerks Die Sternsinger, Dr. Klaus Krämer und einem afrikanischen Priester, Dr. Gonzaga Lutwama Mayanja. Unsere Erkenntnisse fasse ich in drei kurzen Abschnitten zusammen:

  1. Der schwarze König ist anders.

Schon früh hat die christliche Deutung aus den Sternsingern aus dem Osten, von deren Besuch der Evangelist Matthäus erzählt, Könige gemacht, und zwar drei. Die christliche Traditionsbildung hat die drei Könige mit drei Kontinenten, also mit der ganzen damals bekannten Welt, identifiziert; mit der Völkerwallfahrt zum Zion, die das Alte Testament verheißt; aber auch mit den drei Söhnen Noahs, von denen einer, Cham, vom Vater verflucht wurde. Diese drei bilden in der mittelalterlichen Tradition eine Varianz ab, drei Lebensalter, drei verschiedene Kleidungsstile. Der hinterste König war in dieser Varianz noch einmal anders, er hat in der deutschsprachigen Kunst seit dem 15. Jahrhundert eine dunkle Hautfarbe. Aber auch in anderen Ländern war er gerne derjenige, der exotisch dargestellt wurde, in der italienischen Kunst etwa hatte er gerne blondes Haar und blaue Augen – im Gegensatz zu seinen braunhaarigen Kollegen. Der schwarze König war in der spätmittelalterlichen Kunst das fashion victim: Er trug elegante burgundische Hofmode und Waffen. Insofern bildete er die spätmittelalterliche Adelswelt am eindrücklichsten ab, ohne Waffen nämlich hätte kein Adeliger seinen Hof verlassen. Der Schwarze war insofern und erstaunlicherweise der am besten inkulturierte König innerhalb des Herkunftsmilieus dieser Bilder.

  1. Es hängt viel davon ab, wie man Andersheit, Alterität deutet.

In dem schwarzen König kann man viele Traditionslinien erkennen. Im 19. Jahrhundert gab es in Amerika die Tradition, einen Mitspieler im Kabarett schwarz zu schminken. Als eine Art Clown und Tollpatsch trat er auf der Bühne auf. Diese Verulkung schwarzer Menschen steckt hinter dem Vorwurf des Blackfacing, ein Vorwurf, der auf manchen schwarzen König in Krippen und Bildern aus der Kolonialzeit durchaus zutrifft. Auch der schwarze Piet, der niederländische Begleiter des Nikolaus und eine Art gewaltbereiter Knecht Ruprecht, wurde schwarz und mit roten Lippen geschminkt. Man muss diese schwierigen Traditionslinien aber nicht im schwarzen König an der Krippe sehen. Vielmehr gibt es, wie ich dargestellt habe, eine jahrhundertealte Tradition in der christlichen Kunst, die unterschiedliche Menschen an der Krippe versammelt wissen will. Diese integrierende, einladende Geste, also eine positive Deutung von Andersheit, sollten wir neu lesen lernen. Dort aber, wo Darstellungen rassistisch sind oder die Traditionsbildung problematisch, etwa in der Identifizierung des schwarzen Königs mit dem verfluchten Sohn Noahs, sind sie als solche zu benennen und zu diskutieren.

  1. Menschen sind mehr als ihre Hautfarbe, Kunst ist mehr als Hautfarbe.

Wir haben viel über Hautfarbe in dieser Ausstellung gesprochen und dabei festgestellt, dass sie in der Debatte um den schwarzen König manchmal verabsolutiert wird, und zwar von beiden Seiten. Wo ein linker Diskurs aus dem angloamerikanischen Milieu den Blackfacing-Vorwurf erhebt und jede Form eines dunkelhäutigen Königs als rassistisch versteht, fokussiert sie genauso auf die Hautfarbe wie die rechtskonservativen Stimmen, die auf dem Erhalt jeder europäischen Traditionslinie bestehen, selbst da, wo sie rassistisch gemeint war und heute als solche erkennbar ist. In afrikanischen Krippen wiederum, da haben wir gelernt, sind oft alle Krippenbesucher schwarz, nur Jesus und Maria sind meist weiß. Eine Fokussierung auf die Hautfarbe allein macht keinen Sinn. Auch hier darf es Unterschiede geben, so wie Menschen unterschiedliche Hautfarben haben.