Die ab 2012 durchgeführten Renovierungsarbeiten und die dabei entdeckten hochmittelalterlichen Fundamente hatten eine Verlegung der Gruft nach Westen zur Folge.

Dort entstand durch das Bregenzer Architekturbüro Cukrowicz Nachbaur ein ebenso schlichter wie symbolstarker Raum der Andacht. Dieser lädt die Betrachter ein, in die Tiefe der Stätte einzutauchen, in der sich Geschichte, Gegenwart und Zukunft durchdringen.

Für die historisch gesehen relativ junge, 1821/28 gegründete Diözese ist die Weite des Sülchener Horizonts ein Glücksfall: Einerseits sind hier die Vorgänger des amtierenden Bischofs, unter ihnen der bedeutende Bekennerbischof Joannes Baptista Sproll (1870–1948) bestattet, andererseits macht der aus Stampflehm erbaute Raum eine Verwurzelung der Diözese erlebbar, die bis zu den Anfängen des christlichen Glaubens im mitteleuropäischen Raum zurückreicht.

Bauherr

Diözese Rottenburg-Stuttgart

Architekten

cukrowicz nachbaur architekten ZT GmbH, Bregenz (AT)
Andreas Cukrowicz
Anton Nachbaur-Sturm
www.cn-architekten.at
in Kooperation mit Wiesler Zwirlein Architekten, Stuttgart

Ausstellungsgestaltung

merz merz, Stuttgart

Fertigstellung

2017

Architektur

Bei Grabungen im Zuge von Sanierungsarbeiten in der spätgotischen Kirche (2012–2017) wurden Fundamente von hochmittelalterlichen Vorgängerbauten entdeckt. Infolge der Bedeutung der archäologischen Funde sollte die Bischofsgrablege als neue Unterkirche in dem freigelegten Bereich unter dem Kirchenschiff eingerichtet und ein Teil der gefundenen Fundamente innerhalb eines archäologischen Ausstellungsbereiches sichtbar gemacht werden.

Der Entwurf übernimmt die axialsymmetrische Grundstruktur des bestehenden Sakralbaus. Der durch Grabungen entstandene Freiraum wird durch einen monolithischen Körper besetzt und bildet das neue Fundament für das Kirchenschiff. Der Weg zur Grablege folgt dem Thema des langsamen Eintauchens und bereitet Besucher auf den zentralen Andachtsraum vor. Auf Höhe des Zwischenpodestes – mit Einblick in den Ausgrabungsbereich – teilt sich die Anlage in zwei seitliche Treppenläufe, welche sich sanft fallend zum zentralen Hauptpodest entwickeln.

Der Andachtsraum mit großer Raumhöhe wird als Konzentrationspunkt der Gesamtanlage und als Zielort mit Altarblock in der Mittelachse erfahren; die Bischofsgräber befinden sich in zwei übereinanderliegenden Ebenen entlang der Längswände. Sämtliche Wände und Decken wurden in Stampflehmbauweise herausgearbeitet. Der auf diese Weise entstandene monolithische Körper mit seinem schichtweisen Entstehungsprozess entspricht dem strukturellen Aufbau von Sedimentgesteinen. Die Fußböden wurden ebenfalls aus Stampflehm gefertigt, ihre Oberflächen wurden leicht angeschliffen. Die Grabplatten bestehen aus Juraschiefer, der Altar ist ein massiver Block aus Gauinger Travertin. Das freistehende Kreuz im Andachtsraum, das Gittertor zum Archäologiebereich und das Geländer in der Oberkirche sind aus patiniertem Messing gefertigt, das mit den erdigen Naturtönen von Boden, Wand und Decke harmoniert.

Architekten

Bereits seit 1992 arbeiten Andreas Cukrowicz (*1969) und Anton Nachbaur-Sturm (*1965) zusammen, zunächst in verschiedenen Kooperationen, seit 1996 im gemeinsamen Büro in Bregenz. Ihr Portfolio umfasst zahlreiche Schul-, Gemeinde- und Wohnbauten, aber auch Feuerwehrhäuser, eine Bergkapelle und den 1. Preis beim Wettbewerb Konzerthaus München (2017). Nach Otto Kapfinger „interpretieren (sie) Aufgaben und Materialien aus dem Kontext – präzise, einfach und selbstverständlich. Sie bringen komplexe Anforderungen zu unerwartet klaren und ökonomischen Lösungen mit Mehrwert. Sie schaffen mit Holz, Glas und Beton, mit natürlichen Oberflächen, mit stimmigen Lichtführungen und perfekten Proportionen robuste, inspirierende Räume für alle Sinne – starke und zugleich gelassene Architekturen für die Entfaltung aller Aktions- und Spielräume des Lebens.“ Beide Büropartner engagieren sich seit vielen Jahren als Gestaltungsbeiräte in zumeist österreichischen Gemeinden.

Auszeichnungen

Deutscher Architekturpreis 2019

Die Bischofsgrablege erhielt 2019 einen Anerkennungspreis des Deutschen Architekturpreises.

„Eine denkbar kleine Entwurfsaufgabe mit außerordentlich großer architektonischer Kraft. Nur eine Gruft, ein archäologischer Ort, museal aufbereitet, und eine Grablege für – auch zukünftige – Bischöfe. Der sakralen Wirkung dieses architektonischen Kleinodes kann man sich nicht entziehen. Den Begriff der Innovation auf das Bauwerk anzuwenden hieße, die Architektur nicht begriffen zu haben. Lehm, ein paar Eisenteile für die Beschläge, Messing für besonders bedeutsame Ausstattungsdetails.

Nur die gezielt spärlich eingesetzte Beleuchtung gehört nicht zu den Stoffen, die bis in die Moderne als ein gewohntes Baumaterial galten. Deshalb erscheint dem Betrachter die Architektur ungewohnt gewohnt. Mit dem präzisen Einsatz der mo­nochromen und von Hand gefertigten Böden, Wände, Treppen und Decken gelingt es den Architekten, die Besucher zu einer Art innerer Einkehr, auch zur Besinnung zu bringen. Natürlich auch Technik, nicht sichtbar, die der Sicherheit dient. Unabhängig der technischen Apparate: Nachhaltig wie alle Bauten, die für eine mehrere Jahr­hunderte dauernde Standzeit errichtet wurden. Ein spiritueller Ort, nur von wenigen tatsächlich besucht, von den meisten der Architektur wegen. Aber ein Ort, der sich, angeregt durch die Architektur, in das atmosphärische aber auch spirituelle Gedächtnis der Besucher einschreiben wird. Auch wenn die Aufgabe innerhalb bzw. unterhalb des bestehenden Kirchenschiffes beschränkt ist (im Schiff ist nur der Treppenabgang sichtbar), so kann man dem unterirdischen Bauwerk, allein durch das Wissen um die Bedeutung des Ortes, in die direkte Umgebung und weit darüber hinaus eine große Strahlkraft zusprechen.“

(Aus der Jurybewertung, Arno Lederer)

Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg 2020

Die Bischofsgrablege erhielt 2020 einen Anerkennungspreis des nur alle fünf Jahre verliehenen Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg.

„Radikale Abstraktion hat hier zu einem Raum geführt, in dem das Mysterium von Vergänglichkeit und Auferstehung spürbar wird, ohne dass dafür aufdringliche Symbolik zum Einsatz kommt.“ In der Sülchenkirche verbindet eine Treppenanlage die Oberkirche mit den daruntergelegenen Ausstellungsflächen und dem nochmals einen Treppenlauf tiefer angeordneten Grabraum. Dieser ist der zentrale Punkt der Anlage, gestaltet als Andachtsraum mit großer Raumhöhe: „So entstand eine schlüssige Gesamtkonfiguration aus Museum, Grablege und sanierter Kirche“, urteilt die Jury.

Die stimmungsvolle Atmosphäre werde durch die gezielte Abfolge der Räume, die Verwendung von Stampflehm, Juraschiefer, Travertin und Messing, durch die aufeinander abgestimmten Farbtöne, die Helligkeitskontraste sowie durch eine dezente Beleuchtung erzeugt.