Das Bildformat wird jeweils durch das Kreuz gegliedert. Dieses ist in seiner Massivität stark zurückgenommen, wirkt manchmal wie ein Schattenwurf und ist daher eher symbolhaft zu verstehen. Die Malerei stellt die schmale, isolierte Figur Jesu jeweils vor übergroßen, erdrückenden Wandformationen dar. Das Geschehen findet lediglich Ausdruck in der chiffreartigen Körperhaltung des Gottessohnes, seine Mimik ist nicht erkennbar. Der Aspekt des Leidens, der in der traditionellen Ikonographie eine große Rolle spielt, tritt hierdurch zurück. Vielmehr sind Materialität und Farbgebung die eigentlichen Ausdrucksträger: Verlassenheit und

Verletzlichkeit, Leid und Tod, Auferstehung und Erlösung finden ihre subtile künstlerische Umsetzung in einer reliefartigen Materialcollage aus Acryl, Pastell, Mull und Gipsbinden, Seidenpapier sowie einer zurückgenommenen Farbigkeit und einem grafischen Duktus. Durch das Changieren von Hellbeige zu Dunkelgrau und schließlich zu strahlendem Gelb wird die Dynamik gesteigert, zugleich aber auch eine ruhige Atmosphäre geschaffen, die Raum für Assoziationen bietet. Weniger das Grauen der Passion als das göttliche Erlösungswerk selbst rückt in den Fokus.

Die Taborkirche Freudenstadt

Der Kreuzweg von Michaela A. Fischer wird im März 2019 an seinen eigentlichen Bestimmungsort überführt: in die durch den Architekten Otto Linder (1891–1976) ab 1928 errichtete Taborkirche in Freudenstadt. In dem kürzlich sanierten Kirchenraum des Modernismus bildet das Chorgemälde der Künstlerin Maria Hiller-Foell (1880–1943) – einer Schülerin von Adolf Hölzel – das visuelle Zentrum. Sowohl die jüngst angefertigten Prinzipalien (Altar, Ambo, Tabernakel) des Künstlers Gerhard Nerowski (Königsberg) als auch der Kreuzweg von Michaela A. Fischer stellen in dem markanten Sakralraum die neuen geistigen Fixpunkte dar.

Michaela A. Fischer

Nach einer Ausbildung zur Holzbildhauerin studierte Michaela A. Fischer Kunstgeschichte und Kunstpädagogik an der Kunstakademie Stuttgart und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. An der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg war sie als Dozentin tätig. Es folgten längere Auslandsaufenthalte, unter anderem in Queensland (Australien). 1986 begann sie als freischaffende Künstlerin zu arbeiten. Seit 2000 lebt sie in Ilsfeld-Auenstein. 2013 wurde die Bildhauerin und Malerin für den Kunstpreis Baden-Württemberg vorgeschlagen.

Ihre Fachkenntnis bringt Michaela A. Fischer im Bund der freischaffenden Bildhauer Baden-Württemberg (1994–2010 Vorsitzende), in der Kunstkommission für sakrale Kunst der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie im Kunstverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart (seit 2018 zweite Stellvertreterin des Vorsitzenden) ein. Fischers Werk zeichnet sich durch große Vielseitigkeit, eine hohe Material- und Farbsensibilität sowie ein Gespür für den Umraum aus. Ihre für Kirchen bestimmten Arbeiten übersetzen die theologischen Inhalte in die künstlerische Sprache der Gegenwart und tragen wesentlich zur spirituellen Raumatmosphäre der Sakralorte bei.