Joannes Baptista Sproll und sein Bischofsstab

1927 wird Joannes Baptista Sproll Bischof der Diözese Rottenburg. Auf ersten Aufnahmen lässt er sich mit dem Bischofsstab seines Vorgängers Paul Wilhelm Keppler ablichten. Da es früher durchaus üblich war, den Stab des Vorgängers zu übernehmen, dachte man lange Zeit, Sproll habe keinen eigenen besessen. Wie aber ließ sich das in seiner Zeit als Weihbischof bewerkstelligen? Sprachen sich Bischof Keppler und Weihbischof Sproll am Wochenende ab, wer wann den Stab nutzen darf? Undenkbar, meint Diözesanarchivar Dr. Herbert Aderbauer und begibt sich auf die Suche.


Feierstunde im Bischof-Sproll-Gedenkort

„Ist und bleibt Vorbild im Glauben“

Mit einer Feierstunde eröffnete Bischof Dr. Gebhard Fürst am Dienstagabend die Gedenkstätte für Bekennerbischof Joannes Baptista Sproll.

Mit einer Feierstunde eröffnete Bischof Dr. Gebhard Fürst am Dienstagabend eine Gedenkstätte für seinen Amtsvorgänger Johannes Baptista Sproll, der von den Nationalsozialisten als einziger Bischof in Deutschland aus seiner Diözese verbannt worden war. Das Interesse an dem neuen Gedenkort im Bischöflichen Ordinariat war so groß, dass die im Foyer bereitgestellten Stühle nicht ausreichten, um allen einen Sitzplatz zu bieten.

Bischof Sproll und sein aus dem Glauben heraus gewonnener Widerstand gegen die NS-Diktatur dürfe nicht in Vergessenheit geraten, betonte Fürst bei seiner Begrüßung und erinnerte im Beisein des früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel daran, dass im Jahr 2006 bei einem gemeinsamen Besuch in der Gedenkstätte für die Glaubenszeugen des 20. Jahrhunderts in Rom einer der Steine niedergelegt worden war, mit dem die Nazis 1938 die Scheiben des Arbeitszimmers von Bischof Sproll im vormaligen bischöflichen Palais eingeworfen hatten, in dessen Eingangsbereich sich der neue Gedenkort befindet.

Gedenken braucht einen Ort

„Gedenken braucht einen Ort, gerade auch in Rottenburg, am Bischofssitz. Deshalb liegt mir die Errichtung dieser Gedenkstätte genau hier sehr am Herzen und ich freue mich sehr, dass wir hier nun einen herausragenden Gedenkort haben“, hielt Bischof Fürst bei seiner Ansprache fest und erinnerte daran, dass 2011 ein Seligsprechungsverfahren für Bischof Sproll eröffnet wurde, das „hoffentlich positiv beschieden wird“.

Die von Dr. Melanie Prange, Leiterin des Diözesanmuseums, und Dr. Herbert Aderbauer vom Diözesanarchiv unter Mitwirkung des Stuttgarter Büros „von Jacobs. Ausstellungsgestaltung – Innenarchitektur“ konzipierte Gedenkstätte lade  Besucher:innen anhand von sieben chronologisch gereihten Themenbereichen mit Texten, Bildern und Objekten zu einer Einführung in das Wirken von Bischof Sproll ein. Darüber hinaus biete die Ausstellung durch eine multimediale Präsentation die Möglichkeit, im Rahmen von Führungen noch mehr über Bischof Sproll zu erfahren.

Orientierung und Vorbild

„Die Gedenkstätte ist für eine große Öffentlichkeit konzipiert: Auch Gruppen können und sollen kommen. Insbesondere für  Schulklassen wäre ein Besuch für den Geschichts- und Religionsunterricht zum Thema christlicher Glaube und Widerstand relevant“, hob der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart hervor und verwies auf Sprolls auch für die kommende Generation Orientierung und Vorbild gebende Haltung zu Themen wie Rassismus und Nationalismus sowie auf Sprolls Einsatz für den Frieden. Von besonderer Bedeutung dabei sei, dass Bischof Sproll alles „ganz aus seinem christlichen Glauben heraus tat“, unterstrich Bischof Fürst. „Er ist und bleibt Vorbild im Glauben.“

Neben Kardinal Graf von Galen sei Sproll der einzige Bischof, der sich den Nationalsozialisten öffentlich und entschieden in den Weg stellte – und dies früher als von Galen, betonte Fürst und erinnerte, dass Sproll in der Diözese Rottenburg-Stuttgart seit Jahrzehnten von der Bevölkerung als Bekennerbischof verehrt wird, der der nationalsozialistischen Ideologie Widerstand leistete.

Außerhalb der Diözese sei Bischof Sproll jedoch leider nach wie vor zu wenig bekannt. „Wir müssen es uns deshalb weiterhin zur Aufgabe machen, seine Haltung und seine Taten allgemein bekannt zu machen: Dazu soll die Gedenkstätte beitragen“, hielt Bischof Fürst fest und verwies darauf, dass die Gedenkstätte vor diesem Hintergrund dem Bedürfnis nach Erinnerung, Rückbesinnung und auch nach dem Hereinholen in die Gegenwart Rechnung trage.

Ein besonderer Raum

Generalvikar Dr. Clemens Stroppel fasste es bei seiner Einladung zur Besichtigung der Gedenkstätte im Anschluss an den offiziellen Teil der feierlichen Eröffnung, die von einem Klarinetten-Quintett der Stadtkapelle Rottenburg musikalisch umrahmt wurde, so zusammen: Die Gedenkstätte befinde sich an dem Ort, an dem Bischof Sproll von den Nationalsozialisten abgeführt wurde, an den er nach dem Ende des NS-Regimes und der Zeit seiner Verbannung zurückkehrte, und an dem Ort, an dem er nach seinem Tode vor der Bestattung in der Bischofsgruft der Sülchenkirche aufgebahrt wurde.

Entstanden ist der neue Gedenkort so an historischer Stelle im Eingangsbereich des früheren bischöflichen Palais. „Es ist die Eingangshalle zur einstigen Wohnung des Bischofs und damit die Innenseite des großen Holzportals, das die Nazis 1938 einschlugen, als sie das Haus stürmten, um Bischof Sproll zum Verlassen seiner Diözese zu zwingen“, erinnerte Dr. Herbert Aderbauer.

Dr. Dominik Burkard, Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und Vorsitzender des Geschichtsvereins der Diözese Rottenburg-Stuttgart, ging in seinem Vortrag mit dem Titel „Rottenburg – Rom – Berlin. Der ‚Fall Sproll‘ im Fokus der Diplomatie“ anlässlich der Eröffnungsfeier der Frage nach, was seitens des Vatikans unternommen wurde, um Sproll zu Hilfe zu kommen. „Tat man überhaupt etwas oder ließ man den Rottenburger Bischof ‚im Regen stehen‘?“, stellte Burkard die Frage.

Hinweis

Der Gedenkort ist eine Zweigstelle des Diözesanmuseums in Rottenburg, bei dem es unter Telefon 07472 / 922180 und -82 sowie per E-Mail an museum-sprollgedenkort@bo.drs.de weitere Informationen gibt.


Eröffnung im Mai 2023

Eröffnung und Einweihung des Bischof-Sproll-Gedenkortes

Die feierliche Einweihung des Bischof-Sproll-Gedenkortes durch Bischof Gebhard Fürst wird am Dienstag, dem 2. Mai, um 18.30 Uhr stattfinden.

Beteiligte an der Eröffnungsfeier sind:

Herzliche Einladung an alle Interessierte!


Ein Gedenkort für Bischof Sproll

Herkunft und Werdegang

Joannes Baptista Sproll wurde am 2. Oktober 1870 in Schweinhausen bei Biberach geboren und wuchs in einfachen, bäuerlichen Verhältnissen auf. Sein Heimatpfarrer entdeckte seine Begabung und ermöglichte ihm den Besuch der Lateinschule. Nach dem Theologiestudium in Tübingen und der Priesterweihe wurde Sproll Dozent am Tübinger Wilhelmsstift, anschließend Subregens im Priesterseminar Rottenburg.

1909 ging Sproll als Pfarrer nach Kirchen, bevor ihn Bischof Paul Wilhelm Keppler drei Jahre später ins Domkapitel berief. Im Folgejahr wurde Sproll Generalvikar, 1916 Weihbischof. Ab 1912 saß er als Vertreter des Domkapitels im Stuttgarter Landtag, 1919 wurde er als Vertreter der Zentrumspartei in die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt. Nach dem Tod von Bischof Keppler wählte das Domkapitel Sproll 1927 zu dessen Nachfolger. Es waren schwierige Zeiten: Die Weltwirtschaftskrise am Ende der 1920er Jahre führte zu einem Erstarken extremistischer Parteien, der Kommunisten und der Nationalsozialisten. Mit seiner Volksnähe und seinem offenen Charakter setzte Sproll angesichts dieser Tendenzen ganz auf die Bewahrung des tradierten Glaubens.

Geburtshaus von Joannes Baptista Sproll in Schweinhausen

Gegner des Nationalsozialismus

Bereits 1931 verurteilte Bischof Sproll in einer Erklärung der südwestdeutschen Bischöfe den Nationalsozialismus als „mit der katholischen Lehre unvereinbar“. Nachdem Hitler 1933 auf legalem Weg Reichskanzler geworden war, erkannten die deutschen Bischöfe ihn als rechtmäßige Obrigkeit an.

Ab Sommer 1934 exponierte sich Sproll als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Er wandte sich öffentlich in Predigten gegen zentrale Inhalte der NS-Ideologie, gegen die Vergötzung von Rasse und Blut und deutsch-völkische Tendenzen. Die Auseinandersetzungen spitzten sich ab April 1938 dramatisch zu. Bischof Sproll setzte ein öffentliches Zeichen der Verweigerung, indem er sich nicht an der Wahl über den bereits vollzogenen Anschluss Österreichs an das Reich beteiligte, um nicht gleichzeitig Nationalsozialsten in den Reichstag wählen zu müssen. Die Nationalsozialisten reagierten mit einer Welle von inszenierten, angeblich aus spontanem Volkszorn entstandenen Demonstrationen und Ausschreitungen.

Verbannung und Exil

Die Versuche der Nationalsozialisten, Sproll zu einem „freiwilligen“ Amtsverzicht zu bewegen, scheiterten: Er ließ sich von den Ausschreitungen nicht einschüchtern. Zudem solidarisierten sich Teile der katholischen Bevölkerung mit dem Verfolgten, der als mutiger „Bekennerbischof“ wahrgenommen wurde. Schließlich wurde der Bischof aus seiner Diözese verbannt. Im September 1938 fand Sproll in der Benediktinerabtei St. Ottilien in der Diözese Augsburg Zuflucht. Aufgrund der Verschlechterung seines Gesundheitszustands wechselte er Anfang 1941 ins Heilbad Krumbad. Auch im Exil nahm Sproll – soweit möglich – sein Amt als Rottenburger Diözesanbischof wahr.

Er verfasste Hirtenbriefe und blieb in Kontakt mit dem Domkapitel. 1943 vollzog er von Krumbad aus die auf große Resonanz stoßende Weihe der Diözese an Maria.

Hetzblatt „Flammenzeichen“
Hetzparole „Bischof Sproll Volksverräter“ auf dem Bürgersteig vor dem Bischöflichen Ordinariat

Heimkehr und Tod

Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des NS-Regimes wurde der Weg frei für die Heimkehr des Bischofs. An der Rückkehrfeier am 14. Juni 1945 und an seinem 50. Priesterjubiläum nahmen Tausende Gläubige teil. Trotz seiner Krankheit besuchte Sproll in den folgenden Jahren viele Pfarreien in der ganzen Diözese. Das Bild des von Krankheit und Exil gezeichneten Bischofs, der wegen seiner Lähmung auf einem Stuhl durch die Menge getragen werden musste, prägte sich ins kollektive Gedächtnis ein.

Sproll betonte die Bereitschaft zur Versöhnung. Sein Wirken galt den in die Zukunft weisenden Aufgaben, dem Wiederaufbau nach den Zerstörungen, der christlichkaritativen Bewältigung der wirtschaftlichen und seelischen Not und der Integration der Heimatvertriebenen. Er starb am 4. März 1949.

Bischof Sprolls 50. Priesterjubiläum am 16. Juli 1945

Nachwirkung und Rezeption

Joannes Baptista Sproll hat sich als entschiedener, mutig die öffentliche Konfrontation suchender Gegner des Nationalsozialismus profiliert und exponiert. Gegen keinen anderen deutschen Bischof gingen die Nationalsozialisten derart massiv vor. Während andere dem Widerstand zuzurechnende Bischöfe wie der Münsteraner Bischof von Galen oder der Berliner Bischof von Preysing 1946 zu Kardinälen erhoben wurden, blieb Sproll diese Ehre verwehrt. Zwar wurde der Rottenburger Bischof nach seiner Rückkehr und in Nachrufen nach seinem Tod als „Bekennerbischof“ geehrt. Außerhalb der Diözese fanden seine mutige Haltung und sein Schicksal jedoch lange Zeit nur wenig Beachtung.

Die jüngere Forschung rückt Sproll wieder stärker in den Kontext des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. 2011 leitete die Diözese Rottenburg ein Seligsprechungsverfahren für ihn ein.

Der Gedenkort

Der Gedenkort ist Teil des heutigen Bischöflichen Ordinariats Rottenburg. Historisch handelt es sich um den Eingang in das Bischöfliche Palais, den Wohnund Arbeitsort der Rottenburger Bischöfe. Im Frühjahr und Sommer 1938, nach der Wahlenthaltung Sprolls, belagerten nationalsozialistische Gruppierungen das Palais, warfen Steine durch die Fenster und schmierten Hetzparolen auf den Bürgersteig. Über Wochen gab es lautstarke Kundgebungen vor dem Palais, die die Vertreibung, Abberufung oder den Rücktritt des Bischofs forderten.

Am 23. Juli 1938 brachen Nationalsozialisten die Pforte auf und verwüsteten die Wohnung Sprolls. Das historische Portal und der Eingangsraum verweisen damit selbst auf die – auch unmittelbar physische – Verfolgung Sprolls.

Einer der Steine, mit denen Nationalsozialisten bei der Hausstürmung 1938 die Fensterscheiben in Sprolls Arbeitszimmer einwarfen

Mediale Ausstellungspräsentation

Die Besucher erwartet eine moderne Erschließung der Lebensstationen Sprolls, aber auch des politischen Kontexts, in dem er sich bewegte. Eine mediale Präsentation sowie Objekte und Zitate veranschaulichen eindrücklich das Leben des Bischofs und sein Engagement gegen den Nationalsozialismus. Die präsentierten Treuebekenntnisse von Katholikinnen und Katholiken aus der Diözese bringen die Solidarität der Gläubigen zum Ausdruck und verdeutlichen, wie sehr die Geschichte Bischof Sprolls die Geschichte einer ganzen Diözese ist.

Die Ausstellung ist auch für Kinder, Jugendliche und Schulklassen anschaulich gestaltet. Der Gedenkort ist eine Zweigstelle des Diözesanmuseums Rottenburg.

Treuebekenntnis